Routenschrauberin Charline

Routenschrauberin Charline

Vor einigen Tagen fotografierte ich die Routenschrauberin Charline in einem runamics Outfit und nutzte nach dem Shooting die Gelegenheit, um ihr ein paar Fragen zu stellen.

Charline passt mit Ihrer Pionierarbeit, aber auch mit ihrer positiven Art und dem optimistischen Mindset, perfekt zu runamics und wir sind dankbar sie Euch hier vorstellen zu können.

Ein paar erklärende Worte vorweg: Routenschrauber*innen kümmern sich um die Griffe an Kletterwänden. Diese sind mitnichten wahllos angeschraubt, sondern werden von Profis in einer bestimmten Anordnung und einem definierten Schwierigkeitsgrad erstellt. Dafür nutzen sie Seile, Selbstsicherungen aber auch Leitern und Hebebühnen.

Der Sport Bouldern ist das Klettern auf Absprunghöhe und hat in den letzten 15 Jahren stark an Zulauf gewonnen. Beim Bouldern wird kein Gurt und Seil benötigt. Es wird bis zur Höhe von 4,5 Metern aufgestiegen und man ist ausschließlich durch weiche Gummimatten oder einen absichernden Kletterpartner geschützt. Weitere Erklärung sind im Text kursiv um Euch den Einstieg in die Welt etwas leichter zu machen.

H: Charline, vielen dank für Deine Zeit! Eine hauptberufliche Routenschrauberin, ist noch immer ungewöhnlich und klingt nach einer Pioniertätigkeit - Du bist aber nicht alleine als Frau in dem Metier und ihr habt ja sogar das Ziel Euch untereinander zu connecten, oder?

Ch: Ja, absolut, ich bin total dankbar dafür, dass es bereits schon einige Webseiten und Menschen gibt, die sich das als Aufgabe gemacht haben. Ich bin zum Beispiel großer Fan von https://www.instagram.com/bolt.and.revolt/. Dort wird Frauen, non-binären oder transsexuellen Routenschrauber*innen ein Gesicht und ein Sprachrohr gegeben. Die reposten viel, machen Interviews und Features. Aktuell findet auch gerade das Womens Bouldering Festival in Fontainebleau statt. Fontainebleau ist DAS Bouldergebiet in Westeuropa. Da wäre ich auch dieses Jahr wieder gerne dabei gewesen, leider passte es zeitlich nicht, aber sicher 2024 wieder.



H: Die Kletterszene ist ja recht durchmischt, zumindest in Hallen sieht man nicht nur Männer und auch unterschiedliche Körpertypen. Wieviel begegnet Dir dort trotzdem Alltagssexismus wie Catcalling (sexuell anzügliches Rufen, Reden, Pfeifen oder Gestikulieren gegenüber einer Person in der Öffentlichkeit), „nettgemeinte“ aber verletzende Komplimente oder Glotzen?

Ch: Ich persönlich hab zum Glück nicht so viel selber erlebt. Bevor ich angefangen habe als Routenschrauberin zu arbeiten und nur geklettert und gebouldert bin, ist mir aufgefallen dass es oftmals hallenabhängig ist. Es gibt dann durchaus Hallen, die nahezu als Partnerbörse dienen für einige und dort ist mir das schon vermehrt aufgefallen.

Dann geht es auch nicht nur um Catcalling oder Glotzen, sondern auch um Männer, die mir (trotz schlechterer Kletterfähigkeiten) erklären wollen wie der Boulder geht - obwohl ich nicht danach gefragt habe. Ebenso wenn Männer in die Halle kommen, kurz eine Frau beim Projektieren (als Projektieren bezeichnet man die Kletterarbeit an einer Route, diese kann sich auch über Wochen oder Monate hinziehen) eines Boulders beobachten und genau diesen Boulder dann sehr schnell für sich beanspruchen und abhaken. Das dann mehrmals, dann wird es auffällig und nervt.

Heute sind viele Blicke glücklicherweise eher bewundernd, ich kenne das umgekehrt ja von mir selber: Wenn jemand einen schönen Kletterstil hat oder besondere Fähigkeiten komme ich auch nicht aus dem Staunen. Insofern bin ich glücklich, dass sich das negative Verhalten eher im Rahmen hält. Ich hab es auch einfach mit einer sehr positiven Community zu tun, für die wir sehr dankbar sein können und hoffen dass es so bleibt.

H: Du schreibst und teilst immer wieder über Essstörungen im Klettersport, Bodymassindex und die Tatsache, dass dieser vom Kletterverband IFSC nicht kontrolliert wird. Worum geht es dabei und was ist Deine Meinung dazu?
 
Ch: Spannende Frage. Aktuell ist es ein großes Thema, dass der IFSC (International Federation of Sport Climbing) zwar Kontrollen durchführt aber keine Sanktionen verhängt. Daher müsste man wahrscheinlich grundlegend das System verändern:
Der Bodymassindex kann da auch nicht allein ausschlaggebend sein, da es oftmals weitere Faktoren gibt, wie den grundsätzlichen Körperbau. Ich zum Beispiel habe auch tendenziell immer eher zu wenig drauf, das liegt aber auch in der Familie, meine Eltern und mein Bruder sind vom Typ sehr ähnlich.

In erster Linie finde ich gut, dass das Thema aufkommt, weil es schlicht um die Gesundheit der Athlet*innen geht.

Das war eine schlimme Entwicklung wenn sich Sportler*innen weiter herunterhungern, um an der Wand weniger Gewicht tragen zu müssen - jedes Viertel-Kilo macht da einen Unterschied.

Ich bin wie beschrieben eher der drahtige Typ und habe gerade vier Kilo zugenommen. Das hat sich ausschließlich positiv auf mein Klettern ausgewirkt - ich bin viel stärker an der Wand, habe mehr Energie und meine Muskeln arbeiten besser. Das Mehrgewicht hat keinen negativen Effekt. Ich bin gespannt wie sich die Thematik weiter entwickelt in der Kletterwelt.
(ergänzender Artikel zum Thema: https://www.deutschlandfunk.de/magersucht-esstoerungen-untergewicht-klettern-100.html )

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H: Du bist schon länger vegan. Was waren ursprünglich die Beweggründe? Gesundheit, Tierliebe, Ökologie? Oder von allem ein bisschen?

Ch: Das war eine Mischung aus vielen Themen, von allem ein bisschen oder viel. Ich habe gesundheitlich nur Vorteile gesehen, das lag aber daran, dass ich insgesamt begann mich gut zu ernähren. Man kann sich ja auch vegan schlecht ernähren, nur mit veganer Tiefkühlpizza oder veganem Döner.

Ich versuche so unverarbeitet und ausgewogen wie möglich zu essen, alle Nährstoffe abzudecken. Und das Ganze kann ich hervorragend ohne Tierleid machen. Ich liebe einfach Tiere und unterscheide dabei auch nicht zwischen einer Kuh und einem Hund, beides sind für mich unfassbar schöne Lebewesen.
Und einem Teil davon wird willkürlich Unrecht getan. Eine Kuh wiederum hat zum Teil das gleiche Verhalten wie ein Hund, man kann mit ihnen spielen, schmusen, sie sind sehr empfindsam, sie geben Liebe und sehnen sich nach Liebe. Und all das wird ihnen abgesprochen.

All das war und ist ausschlaggebend, der ökologische Aspekt kam obendrauf. Das Methangas welches Rinder ausstoßen, der Anbau von Soja (wird zu 98% als Futtermittel angebaut) in Regenwaldgebieten und die unglaublich schlechten Wasserbilanzen von fleischlicher Ernährung. Finde den Fehler.

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H: Klettern und Bouldern kann sich seit Jahren wachsender Popularität und Sichtbarkeit erfreuen. Als jemand, der sehr nahe dran ist, wo siehst Du Vor- und Nachteile der Entwicklung?

Der Hauptvorteil ist, dass immer mehr Menschen diesen wunderschönen Sport für sich entdecken. Sie fangen an sich mehr zu bewegen, eine neue Leidenschaft zu entwickeln, es steigert das Selbstvertrauen. Und natürlich entstehen dadurch mehr Kletter- und Boulderhallen, was zum einen bedeutet, dass die Menschen niedrigschwellige Angebote zu Sport bekommen und es schafft natürlich auch Arbeitsplätze - mich inkludiert.

Ein Nachteil - so ehrlich muss ich sein - ist, dass die Natur darunter leidet. Durch wachsende Popularität steigt natürlich auch der Wille am Felsklettern. Dabei haben sich viele nicht so informiert wie es Sinn machen würde:

Lasst uns den Platz immer so hinterlassen wie wir ihn vorgefunden haben. Kein Müll liegen lassen, aber auch die Flora und Fauna respektieren, auch wenn es Einschnitte in das Klettererlebnis bedeutet. Das bedeutet auch, das wir Chalk nach dem klettern IMMER wieder von der Wand putzen beim Abseilen der letzten Route. (Chalk bezeichnet die Kreide, die Climber benutzen, um ihre schwitzigen Finger so trocken wie möglich zu halten. In dem Sport macht es einen entscheidenden Unterschied).

Laute Musik und übermäßiger Alkoholkonsum am Fels? Ist mir unbegreiflich, dafür sind wir doch nicht in der Natur, sondern um eins mit ihr zu sein. Durch sowas verliert es etwas die Magie. Sollte sich sowas fortsetzen, müssen wir damit rechnen, dass Regierungen das Bouldern oder Klettern am Fels zunehmend regulieren.

Wenn Du Charline in Action sehen willst, schau unbedingt auf ihrem Insta Profil vorbei: https://www.instagram.com/charles_bloc/

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